• Review: Amon Amarth - Berserker:

    Es ist schon ein seltsames Ding mit diesen Wikingern. Da plündern und brandschatzen sie alles, was nicht niet- und nagelfest ist und nach 250 Jahren fällt ihnen plötzlich ein, dass es zuhause doch immer noch am schönsten ist. Genügend schöne Damen haben sie auch entführt und so setzen sie sich in Skandinavien zur Ruhe und ihre Überfälle enden. Auch der Schweden-Fünfer von Amon Amarth ist schon seit längerem nicht mehr wirklich auf Beutezug gegangen. Konnte man "Decveiver Of The Gods" mit etwas gutem Willen noch eine gewisse Aggressivität bescheinigen, so hat man mit "Jomsviking" doch eher Schiffbruch erlitten. Nun hat man also mit "Berserker" ein neues Langeisen respektive -boot am Start, mit dem man wieder erfolgreicher in See stechen möchte. Optisch leistet man sich jedoch prompt den ersten Lapsus, hat man doch den Kahn der Kollegen von Asenblut nicht nur vom Namen her, sondern auch bezüglich des Covers zu hundert Prozent kopiert. Doch letzten Endes ist natürlich nicht die Optik entscheidend, sondern wie sich die zwölf auf dem Schiff bereitstehenden Recken in der Schlacht schlagen:

    1. Fafner's Gold:
    Der neue Streich der Nordmänner beginnt mit einem ruhigen Intro, das dann fließend in den ersten Song übergeht. An sich gibt es hier typisches Amon Amarth-Riffing, das nicht schlecht, allerdings auch nicht besonders spektakulär ausfällt. Endgültig ins Mittelmaß wird der Track allerdings erst gezogen, als Johan Hegg sich plötzlich an einem Sprech-Part versucht. Sowas kannte man von der Band bisher eigentlich nicht und das hat seine guten Gründe. Johan im Märchenonkel-Modus passt nicht zum Rest des Songs noch zur Musik und dieses Experiment hätte man sicherlich besser gelassen.
    5/10 Punkte

    2. Crack The Sky:
    "Crack The Sky" stellte die zweite Vorab-Auskopplung von "Berserker" dar und bewegte sich auch musikalisch in etwa auf dem Niveau des schon vorher bekannten "Raven's Flight". Die Gitarren-Arbeit kann man wohl nach fünf Sekunden dieser Band zuordnen, trotzdem klingt das Ganze ein Wenig, als hätte man es schon einmal gehört. Merkwürdig wird es erst in der Bridge, als Johan sich doch tatsächlich an Klargesang versucht. Die Stelle soll wohl irgendwie Atmosphäre erzeugen, klingt aber vor allem ziemlich lächerlich. Wille zum Betreten neuen musikalischen Terrains in allen Ehren aber gewisse Überlegungen, ob so etwas im Konzept des Songs überhaupt Sinn macht, wären vielleicht doch nicht ganz fehl am Platze. Dennoch etwas stärker als der Opener.
    6/10 Pkt.

    3. Mjölner, Hammer Of Thor:
    Mit Schlägen aus einer Schmiede wird die dritte Nummer des Albums eingeleitet, die die Steigerung des Silberlings konsequent weiter fortsetzt. Der Track wirkt im Vergleich zu seinen Vorgängern leicht hymnisch angehaucht, verzichtet aber dennoch nicht auf das von Amon Amarth gewohnte Maß an Härte. Hier erahnt man teilweise wieder die Qualität, die frühere Alben der Band ausgezeichnet hat. Definitiv die beste Nummer des Albums bis zu diesem Punkt!
    7/10 Pkt.

    4. Shield Wall:
    Und auch "Shield Wall" weiß durchaus zu überzeugen. Das lyrische Konzept des Songs ist natürlich wieder typisch für die Schweden und kann beispielsweise mit "We Shall Destroy" vom vorletzten Album verglichen werden, dem die Nummer auch stilistisch recht nahe kommt. Da besagtes Stück schon damals wohl die stärkste Nummer auf dem Album darstellte, enttäuscht auch dieses Lied hier nicht. Macht Laune, so will man die Wikinger hören!
    7/10 Pkt.

    5. Valkyria:
    "Valkyria" dagegen wartet schon zu Beginn mit einem recht verstörenden Element auf. Werden hier tatsächlich die Worte "Take One" intoniert, bevor die Nummer dann losgeht? Sowas kann man vielleicht von Deep Purple erwarten, denn deren Alben geben auch nicht vor, mehr zu sein als eine Zusammenstellung von Rock-Nummern. Als Band mit einem durchgehenden lyrischen Konzept aber, die ihren Hörer in vergangene Zeiten versetzen möchte, sollte man sich sowas tunlichst sparen, wenn man sich die Atmosphäre nicht ohne Not komplett selbst zerschießen möchte. Und warum ein Wikinger-Song einer Metal-Band unbedingt ein Klavier-Outro braucht, kann sich wohl auch niemand schlüssig erklären. Ansonsten geht die Nummer in Ordnung, trotzdem einer der schwächsten Punkte des Albums.
    4/10 Pkt.

    6. Raven's Flight:
    Nummer sechs dürfte dem geneigten Hörer dieses Albums bereits bekannt sein, stellte es doch die erste Single-Auskopplung des Langspielers dar - ein mehr als fragwürdiges Musikvideo inklusive. Musikalisch bewegt man sich in etwa auf dem mäßigen Niveau des vorangegangenen Tracks, verzichtet aber abgesehen von einem unerwartet groovigen Zwischen-Part dankenswerterweise auf unnötige Spielereien, sodass man hier unter dem Strich dann doch einen Tick besser dasteht.
    5/10 Pkt.

    7. Ironside:
    Die zweite Hälfte des Albums beginnt in etwa so wie die erste, namentlich mit einem akustischen Intro. Im weiteren Verlauf des Songs folgt dann wie schon bei "Crack The Sky" ein eher peinlicher clean gesungener Part, der den Eindruck der ansonsten eigentlich ziemlich coolen Nummer ein wenig trübt. Schade, denn der Track enthält sicherlich mit einen der einprägsamsten Refrains des gesamten Albums.
    6/10 Pkt.

    8. The Berserker At Stamford Bridge:
    Es folgt der Beinahe-Titelsong des Albums, der tatsächlich auch ein Highlight desselben darstellt. Erstmals weicht man hier im Songaufbau vom Schema F ab, um die Schlacht von Stamford Bridge aus dreierlei Sicht zu schildern: der der angreifenden Engländer, der sich zurückziehenden Nordmänner und des Berserkers, der zurückbleibt, um die Feinde aufzuhalten und seinen Genossen so einen Vorsprung zu verschaffen - was er zuletzt freilich mit dem Leben bezahlt. Ein interessantes Konzept, das auch musikalisch fein umgesetzt wird. Stark!
    8/10 Pkt.

    9. When Once Again We Can Set Our Sails:
    Auch der nächste Song ist wieder eine gutklassige Nummer und kommt für Amon Amarth auch wieder deutlich typischer daher. Der Art nach hätte dieses Lied auch auf "Surtur Rising" stehen können, ohne weiter aufzufallen. Typisches Riffing, treibendes Midtempo, ein gewisses hymnisches Element und ein Refrain, der es tatsächlich auch mal wieder schafft, sich wirklich in den Hörgängen festzufressen - die klassischen Zutaten für eine gelungene Nummer der Schweden.
    7/10 Pkt.

    10. Skoll And Hati:
    Ein Wenig blasser bleibt im Vergleich dagegen "Skoll And Hati", obwohl es hier sogar mal etwas flotter nach vorne geht. Gerade in diesen etwas aggressiveren Momenten wirkt sich leider auch die extrem klassisch ausgefallene Produktion nicht unbedingt förderlich aus - wären die Gitarren nicht tiefer gestimmt, könnte man den Klang der Sechssaiter beinahe mit dem von Iron Maiden vergleichen.
    6/10 Pkt.

    11. Wings Of Eagles:
    Doch schon an nächster Stelle folgt die neben dem namensgebenden Stück wohl stärkste Nummer des Albums. Flott, straight nach vorne gehend und extrem einladend zum erfreuten Headbanging wird hier die Geschichte der Entdeckung Amerikas durch die Wikinger erzählt und während viele andere Teile des Albums wirken, als hätte man einfach die Amon Amarth-Schablone für Metal-Hymnen aufgelegt, hat man hier tatsächlich das Gefühl, etwas wirklich Begeisterndes zu hören.
    8/10 Pkt.

    12. Into The Dark:
    Doch nur allzu bald folgt die Ernüchterung, denn der Rausschmeißer "Into The Dark" ist nicht nur die längste, sondern wahrscheinlich auch die belangloseste Nummer des Silberlings. Anfang und Ende des Songs bilden epische Parts, die man eigentlich eher in einem Film-Soundtrack erwarten würde als auf einem Amon Amarth-Album, doch dieser Umstand wäre sicherlich verschmerzbar, wenn nicht auch der Rest des Songs bestenfalls mittelmäßig bliebe. Tatsächlich kann die Nummer aber zu keinem Zeitpunkt wirklich überzeugen.
    4/10 Pkt.

    Fazit:
    Na dolle Yacht - Rehabilitierung sieht aber ganz anders aus! Hungrig sind diese Wikinger leider schon lange nicht mehr, aggressiv nur zeitweise, wirklich relevant bestenfalls noch auf zwei bis drei Songs und so bewegt sich der neue Longplayer in etwa auf dem Niveau seines Vorgängers, wobei im Zweifel wahrscheinlich "Jomsviking" dem hier fast vorzuziehen wäre - dabei hat man schon damals zwischen Sauf-Nummer und Doro-Duett ein Machwerk abgeliefert, das die Grenzen des Zumutbaren stellenweise voll auslotete. Man hat das Gefühl, dass dem Quintett auf dem Weg zum Weltruhm einfach das Herzblut abhanden gekommen ist, das Alben wie "The Crusher" oder auch "Twilight Of The Thunder God" ein gewisses mitreißendes Element gab; auf "Berserker" ist davon jedenfalls nur noch sehr vereinzelt etwas zu spüren. Derart satt und zufrieden scheinen diese Wikinger jedenfalls kaum noch in der Lage, wirklich Angst und Schrecken zu verbreiten.

    Strapped on the table
    The operation begins
    Caught in the fable
    The doctor is in...

  • Also nach mehrmaligen Hören finde ich Berserker wirklich ein gelungenes Werk. Natürlich ist es nicht mehr so straight wie vor Jomsviking Zeiten.. Man muss aber bedenken, dass Amarth gerade mit diesem Album ein ziemlich großes neues Publikum erschlossen haben. Finanziell gedacht war das wohl ein logischer Schritt, weil nicht allzu viele bisherigen Fans abgesprungen sind. Für die Szene ist es in meinen Augen auch vertretbar. Ich kann zu dem Album relativ gut gleichzeitig arbeiten :pleasantry:


    Dazu gleich mal die Frage in den Raum: Hört ihr noch Amarth seit Jomsviking oder eher nicht mehr?

    Stay Heavy

    \M/ihe

  • Finanziell gedacht ist das für die Wikinger sicher sinnvoll, aber man sollte halt bedenken, dass Amon Amarth eine Band sind und kein beliebiges Unternehmen, wo Gewinnmaximierung das vornehmliche Ziel sein sollte.

    Ich muss sagen, ich höre von den "Jomsviking"-Sachen so gut wie gar nichts mehr und "Berserker" wird es wahrscheinlich ähnlich ergehen. Allerdings muss man dazu auch sagen, dass ich noch nie der riesige Fan der Band war und die für mich persönlich immer eher in der zweiten Reihe standen.

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