Killection: A Fictional Compilation Album

  • Review: Lordi - Killection: A Fictional Compilation Album:

    Mit Spannung wurde es definitiv erwartet, das neue, zehnte Lordi-Album, das auf den etwas sperrigen Titel "Killection: A Fictional Compilation Album" hört. Spannung also, ja, Vorfreude...? Die Idee, ein Album aufzunehmen, indem man vorgibt, die Band existiere schon seit Anfang der Siebziger-Jahre und veröffentliche nun eine Best Of, um auf ihr jahrzehntelanges Schaffen zurückzublicken, wobei die Songs jeweils im Stil einer bestimmten Zeitepoche gehalten sind, hat zwar einerseits unbestritten ihren Reiz, ist aber andererseits selbst für Lordi-Verhältnisse bemerkenswert abgedreht. Die drei Vorab-Singles zeichneten auch ein eher durchwachsenes Bild und nicht zuletzt gilt es ja auch noch, den Abschied von Langzeit-Basser Ox zu verkraften, für den Hiisi seinen Einstand bei den Monstern gibt. So waren es also gemischte Gefühle, mit denen man im Voraus an das Album heranging, doch entscheidend ist und bleibt natürlich die Musik, die sich auf dem Silberling befindet.

    1. Radio SCG 10:
    "Radio" hatten Rammstein letztes Jahr die zweite Single ihres damals neu erschienen Albums getauft. "Radio? Das können wir auch!", haben sich offensichtlich Lordi gedacht. Das neue Album startet natürlich mit dem obligatorischen "SCG"-Intro und dieses versetzt einen - eben, genau, in eine Radio-Übertragung, in der die größten Hits der letzten Jahrzehnte revue passieren dürfen. Hach, da werden beim Fan sofort wohlige Erinnerungen wach an 2006, als man dasselbe Konzept für das Intro wählte und damals noch extra Dee Snider rekrutierte, damit er mit donnernder Stimme die Arockalypse ankündige. Die 2020er Auflage dieser Idee setzt dagegen einen stärker humoristischen Fokus und glänzt mit gelungenen Anspielungen auf einige der Musik-Größen, die Lordi erst zu dem gemacht haben, was sie eigentlich sind - also, in der Realität jetzt. Sehr unterhaltsam und schön gemacht und damit eines der besten Intros, die mir seit längerem untergekommen sind.
    8/10 Punkte

    2. Horror For Hire:
    Mit eindringlichen Keyboard-Klängen beginnt dann auch schon der erste richtige Song des Albums und auch hier lassen die Finnen mal überhaupt nichts anbrennen. Ob das hier eine spezielle Zeitepoche der Vergangenheit darstellen soll, konnte ich zwar bisher nicht wirklich ausmachen, denn eigentlich klingt die Nummer ziemlich genau so, wie man es von Lordi schon immer kennt - aber andererseits ist gerade das die größte Stärke des Songs. Hit-Potential ist definitiv da, ein Refrain, der sich sofort in sämtliche Hirnwindungen frisst, ebenfalls - was will der Lordi-Fan mehr?
    8/10 Pkt.

    3. Shake The Baby Silent:
    Dass aber die Enttäuschung auf dem Fuß folgen würde, war schon von vorneherein abzusehen. "Shake The Baby Silent" war die erste Single von "Killection" und lieferte einen geradezu schauderhaften Ausblick darauf, in welche Gefilde Lordi bereit waren, sich mit dem neuen Album zu bewegen. Extrem auf modern gemacht, im Industrial-Stil der Neunziger, gehen die Monster vom Polarkreis hier zu Werke und liefern einen der uninteressantesten und schlicht dümmsten Songs ab, die man in der durchaus nicht immer glorreichen Band-Diskographie finden kann. Sicher, Lordi haben schon immer Refrains produziert, die man auch nach der dritten Maß Bier noch fehlerfrei mitgröhlen konnte, aber das hier ist einfach so billig, dass man sich wirklich nur noch fremdschämen kann. Ansonsten wurde zu diesem Song ja sowohl in unserem letztjährigen Jahresrückblick als auch im Kotzer der Woche alles gesagt, was es zu sagen gibt. Mit ganz viel Sympathie-Bonus und wenn ich beide Augen zudrücke, komme ich hier noch auf...
    3/10 Pkt.

    4. Like A Bee To The Honey:
    "Like A Bee To The Honey" war die dritte und letzte Single des Albums und stellt natürlich für die Band selbst eine ganz besondere Sache dar. Immerhin stammt der Song nicht aus der Feder eines der Monster, sondern ist eine alte Nummer, die der große Paul Stanley für Kiss geschrieben, dann aber nie verwendet hatte. Für eine Band wie Lordi, die ja ursprünglich aus dem offiziellen finnischen Kiss-Fanclub entstanden ist, ist das natürlich eine ganz große Ehre, so etwas erstmals an die Öffentlichkeit zu bringen. Rein musikalisch betrachtet wird allerdings relativ schnell klar, warum Kiss die Nummer damals nicht weiter verfolgt haben. Es handelt sich um eine extrem schnulzige Stadion-Rock-Ballade im Stile des Achtziger-Jahre Hair Metal mit einem Schuss AOR nach Art von Foreigner. Alles in allem keine besonders genießbare Mischung und wenngleich Paul Stanley bei Kiss ja immer wieder gezeigt hat, dass er berechtigte Ansprüche auf den Titel "bester Balladen-Komponist aller Zeiten" anmelden darf und die Melodien auch bei dieser Nummer unvermeidlich verfangen und ins Ohr gehen, sind doch spätestens bei dem Saxophon-Solo, für das Lordi extra ihren finnischen Landsmann Michael Monroe engagiert haben, sämtliche Toleranz-Grenzen überschritten - ausschließlich die Hintergrundgeschichte des Songs rechtfertigt noch die hier vergebene Punktzahl.
    5/10 Pkt.

    5. Apollyon:
    Die Foreigner-Referenz des letzten Songs kann man dann für "Apollyon" auch gleich übernehmen, denn weiterhin befindet sich die Bands tief in vergangenen AOR-Gefilden. Der größte Unterschied der beiden Nummern ist, dass man das Keyboard für ein Klavier ausgetauscht hat und somit statt Achtziger-Soundteppichen Siebziger-Stimmung in den Track integriert; wir werfen aus diesem Grunde noch Journey und Genesis als musikalische Richtlinien in den Band-Mixer. Nicht ganz so penetrant wie der letzte Song, mit Hard Rock oder Lordi hat das allerdings nach wie vor nichts zu tun.
    6/10 Pkt.

    6. SCG10 The Last Hour:
    Nach vier gelaufenen Songs meldet sich dann wieder der Radio-Sender, um seinen Talk weiterzuführen. Grundsätzlich laufen Bands mit solchen Interludien mitten im Album meist Gefahr, sich katastrophal jeglichen Drive zu zerstören, aber nachdem von Drive bei diesem Album schon länger keine Rede mehr sein kann, geht das hier schon in Ordnung. Immerhin hat man mal wieder etwas zum Schmunzeln, auch wenn sich das Konzept nach dem ersten Mal doch ziemlich abnutzt.
    5/10 Pkt.

    7. Blow My Fuse:
    Viel spannender wird es allerdings auch in Folge nicht, auch wenn man Lordi zugute halten muss, dass sie sich beim Song "Blow My Fuse" zumindest bemühen, mal wieder ein Bisschen mehr abzurocken. Ja, man hat tatsächlich einen erkennbaren Groove und ein Riff im Schlepptau, doch letztlich geht man hier so weit in die Vergangenheit, dass die Chose selbst einem bekennenden Oldschool-Fan wie dem hier schreibenden zu altbacken klingt. Die Nummer tönt stark nach The Who mit einem Schlag ganz frühe Black Sabbath oder Deep Purple. Das ist jetzt nicht wirklich schlecht, aber so richtig geil werden den Track wohl nur beinharte Fans der Früh-Siebziger finden.
    6/10 Pkt.

    8. I Dug A Hole In The Yard For You:
    So, wenn ihr euch den Opener "Horror For Hire" angehört habt und euch dann den Wecker auf exakt 18 Minuten stellt, dann wacht ihr aus eurem Powernap genau in dem Moment auf, wo es wieder interessant wird auf diesem Album. "I Dug A Hole In The Yard For You" ist der sympathische Titel der zweiten Single, die "Killection" zuteil wurde, und nachdem "Shake The Baby Silent" die Fan-Schar noch in kollektives Entsetzen versetzt hatte, zeigen Lordi hier die genau gegensätzliche Richtung auf, in die dieses Album eben auch geht - zumindest von Zeit zu Zeit mal. Hier hat man einen kräftigen Stampfer im Stile der Achtziger und frühen Neunziger, wie man ihn von Lordi schon immer kennt, gekrönt natürlich von einem Party-Refrain vom Feinsten und mit einem schaurig-fiesen Text, wie man ihn von den Monstern hören will. Hier kann jeder Fan bedenkenlos zugreifen - Ohrwurm garantiert!
    8/10 Pkt.

    9. Zombimbo:
    Doch wie schon beim Opener folgt auf eine starke Nummer umgehend der Nackenschlag. "Zombimbo" klingt nicht nur als Titel unglaublich dämlich, sondern ist allen Ernstes eine astreine Disko-Nummer im Spät-Siebziger-Stil geworden! Wer sich also schon bei der Präsentation der neuen Kostüme der Monster gefragt hat, warum Mr. Lordi sich selbst von oben bis unten in Glitzer-Steinchen gekleidet hat und damit seinerseits einer Disko-Kugel nicht ganz unähnlich sieht - dies dürfte der Anlass sein. Musikalisch ist das hier allerdings leider nur schwer erträglich. Der Hörer wird von Kopf bis Fuß in ekelhaft klebrigen Keyboards ertränkt, die sich mit dem leicht funkigen Groove des Tracks zu einer mehr als fragwürdigen Melange verbinden. Wer, wie der Rezensent, über eine gehörige Portion schrägen Humor verfügt, kann der Nummer zumindest in dieser Hinsicht noch etwas abgewinnen, objektiv betrachtet ist der Song aber ein eindeutiger Fall für die Skip-Taste.
    4/10 Pkt.

    10. Up To No Good:
    Immerhin entschädigt "Up To No Good" zumindest teilweise wieder für das soeben Durchlittene. Die Nummer atmet ganz klar den Spirit des Heavy Metals der frühen Achtziger, mit einer gewissen traditionellen Verwurzelung im Rock, wie man sie auch bei den zeitgenössischen Werken von Saxon oder Accept finden konnte. In ihrer getragenen Art erinnert die Nummer bisweilen leicht an "Like A Bee To The Honey", allerdings halt in deutlich gelungenerer Umsetzung - zumal hier endlich mal wieder die Gitarren anstelle des Keyboards im Vordergrund stehen.
    7/10 Pkt.

    11. SCG10 Demonic Semitones:
    Weiter geht es mit dem nächsten Part Radio-Moderation. Sicherlich ein ungewöhnliches Konzept, die im Intro begonnene Thematik so konsequent durch das Album immer wieder aufzugreifen, aber immerhin ist es ja auch ein ungewöhnliches Album, das man hier vor sich hat und das auch den Rezensenten immer wieder vor Herausforderungen stellt; ein solches Machwerk kann man schließlich kaum nach den Maßstäben bewerten, die man an ein anderes, "normales" Album anlegen würde und zumindest der hier aktive Schreiberling hatte etwas Vergleichbares noch nie zwischen seinen virtuellen Beißerchen. Aber schon nach gut einer Minute ist auch dieses Interludium Geschichte und die Fahrt im "Killection"-Rollercoaster nimmt eine weitere Wendung.
    6/10 Pkt.

    12. Cutterfly:
    "Cutterfly" macht in gewisser Hinsicht in etwa da weiter, wo "Up To No Good" aufgehört hatte, kann aber das Niveau nicht ganz halten. Zwar hat man auch hier wieder erhabene Stadion-Rock-Melodien, doch nachdem beim vorigen Track noch die Gitarren lobend hervorgehoben wurden, stellt hier wiederum das Keyboard das dominierende Instrument dar. Nun ist ja gerade Lordi doch immer schon eine Band gewesen, die auch trotz starkem Einsatz dieses Instruments bisweilen noch erstaunlich gute Songs zustande gebracht hat, doch hat vorliegende Nummer eine beinahe poppig anmutende Schlagseite, die trotz der hymnischen Anklänge eine bessere Wertung verhindert.
    6/10 Pkt.

    13. Evil:
    Hoppla Kumpels, hier kracht es aber! Da scheint ja jemand eine gewaltige Portion Wut im Bauch zu haben! "Evil" wird seinem Titel zu hundert Prozent gerecht, geht rasant nach vorne und macht dabei aber mal gar keine Gefangenen. Hier fühlt man sich geradezu in die Anfänge der Thrash Metal-Bewegung versetzt, Anthrax grüßen heftig, während Lordi bisweilen beinahe dissonant durch's Unterholz brettern, dass es eine wahre Freude ist, dabei aber nie das Auge für die Catchiness und den Ohrwurm-Faktor vergessen. Eine ganz starke Leistung, wie die Band hier ein angestammtes Song-Prinzip traditionsbewusst, aber dann doch modern interpretiert, und man fragt sich, ob man einen derart rabiaten Brecher überhaupt schon jemals von den Monstern zu hören bekommen hat. Wer hätte das gedacht, dass zu einem Zeitpunkt, wo man das Album schon fast abgeschrieben hatte, dann doch noch der große Hit um die Ecke kommt?
    10/10 Pkt.

    14. Scream Demon:
    Beim letzten echten Song der "Killection" verbeugen sich Lordi dann vor der Band, auf die doch bei so einem Stil-Mix alle von Anfang an gewartet haben. Den großen Idolen von Kiss muss natürlich einmal tief gehuldigt werden. Dabei schaffen es die Monsterrocker jedoch vorbildlich, nicht wie eine bloße Kopie zu klingen, sondern einen sehr eigenständigen Song zu schaffen, der in interessanter Weise energiegeladene Parts mit einem ruhigeren, beinahe balladesken Refrain kombiniert. Wenn man sich das Album insgesamt anhört, leidet natürlich gerade eine solche eher ungewöhnliche Nummer, die erstmal ein paar Hördurchläufe braucht, ehe sie richtig zündet, darunter, hinter einem eingängigen Über-Hit wie "Evil" zu stehen; hier ist die Song-Reihenfolge sicher nicht ganz glücklich getroffen. Für sich alleine betrachtet hat man hier aber nochmal einen guten Song, mit dem Lordi das Konzept des Albums geschickt in die Tat umsetzen.
    7/10 Pkt.

    15. SCG10 I Am Here:
    Den Abschluss bildet dann noch der letzte Teil unserer Radio-Show, der nach dem wilden Ritt der letzten knappen Stunde aber weitestgehend untergeht und nicht mehr wirklich etwas beiträgt. Summa summarum muss man die Idee mehrerer SCG-Teile auf diesem Album als zwiespältig bewerten. Einerseits stützen sie das Konzept des Albums, andererseits tragen sie natürlich nicht eben dazu bei, selbiges konziser und stimmiger erscheinen zu lassen, was an einigen Stellen doch Not täte. Ob man findet, dass der Longplayer ohne diese Zwischenspiele besser gewesen wäre oder nicht, hängt letzten Endes wohl vom persönlichen Geschmack ab.
    5/10 Pkt.

    Fazit:
    Auch wenn die letzten Songs von "Killection" zum Ende hin nochmal versöhnlich stimmen, kann das nur bedingt darüber hinwegtäuschen, dass grade der Anfang des Albums teilweise eine mittlere Katastrophe darstellt und sich Lordi mitunter völlig in Genre-fremden Experimenten verrennen. Die hart rockenden Nummern stehen über weite Strecken auf verlorenem Posten und nur weil ich ganz bewusst meine rosarote Fanbrille aufsetze, komme ich noch zu dem Ergebnis, dass es sich hier um ein zwar durchwachsenes, aber noch akzeptables Machwerk handelt. Nachdem man vor zwei Jahren mit "Sexorcism" zwar keinen echten Hit abgeliefert hatte, sich aber doch in einem leichten Aufwärtstrend befand, ist man mit dem neuen Album wieder auf dem Niveau des seinerseits höchst biederen "Monstereophonic" angekommen. Im Zweifel muss man wohl "Killection" sogar noch unter seinem Vor-Vorgänger ansetzen und damit vom schwächsten Lordi-Album seit "Babez For Breakfast" von 2010 sprechen - vor allem, wenn man bedenkt, wie vielen Songs ich in diesem Review mehr Punkte gegeben habe, als sie eigentlich verdient gehabt hätten. Für Lordi würde es dringend Zeit, mal wieder ein geradliniges, einfaches Hard Rock-Album zu veröffentlichen, ohne irgendwelche Konzepte und Extras, die letztlich nur vom Wesentlichen ablenken.

    Strapped on the table
    The operation begins
    Caught in the fable
    The doctor is in...

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