„Each thousand miles start with a single footstep“ – Richard Taylor, Sänger der Band British Lion, hätte kaum ein besseres Motto für meine bevorstehende Reise finden können, die am 15. November, im oberösterreichischen Wels startete. Mit großer Vorfreude, genügend Diesel im Tank meines schwarzen Golfes und exakt 257 Kilometer vor mir, begann mein Abenteuer am frühen Dienstagvormittag.
Einmal in München angekommen und meinen kleinen silbernen Koffer in der Wohnung eines guten Freundes untergebracht, ging die Reise zur ersten von drei Stationen weiter: dem Münchner Technikum. Natürlich war ich gegen drei Uhr Nachmittag viel zu früh dort. „Scheiße. Das wird eine lange Warterei. Aber vielleicht können es ein paar andere Leute auch kaum erwarten und vielleicht kann ich noch ein wenig mit Steve (Harris) plaudern “, dachte ich mir. Kurze Zeit später bewahrheiteten sich diese Gedanken. „Hi, ich bin Tom“, sagte der äußerst sympathische Bayer. Neben uns waren bereits vier ältere Männer vor Ort.
Bewaffnet mit Maiden Schallplatten und Silberlingen, dem aktuellen British Lion Album und einem Schlagzeugfell, warteten wir beim Backstageeingang des Technikums geduldig auf unsere Chance, Steve und seine Mannen bereits vor der Show abfangen zu können. In der Zwischenzeit plauderten wir über Gott und die Welt, über Politik und ließen uns über die Österreicher und die Deutschen aus. So herzhaft hab‘ ich selten gelacht. Daran konnten weder die Kälte noch der einsetzende Regen etwas ändern.
„Could you please step back from the entrance?” – so die Worte des leicht angespannten aber sehr routinierten Security der Band. Wie sich später herausstellte, ist der gut gebaute, etwa 1,90 große und bärtige Typ auch der Chef-Sicherheitsmann von Iron Maiden. Gesagt getan. Dabei war das schelmische Grinsen von Grahame Leslie, dem großen, schmal gebauten und blonden Gitarristen, kaum zu übersehen. „Excuse me sir, would it be possible that you sign this album for me?”, fragte ich. “Which one? Ours?”, fragte der exzellente Gitarrist und sehr sympathische Engländer. Na eh klar, oder? Ich geb‘ ihm doch kein Maiden Album? Mit einem noch größeren Grinsen und einem Funkeln in den Augen nahm er den Silberling und trug ihn zu seinen Bandkollegen. Mit einem unterschriebenen Booklet kam er zurück. Meine Freude war grenzenlos.
Übertrumpft wurde sie aber, als Steve nach einem Fotoshooting vorbeikam. Leise und verhalten fragte ich ihn, ob er vielleicht die LP-Version und die limitierte CD Version von Maidens „The Book of Souls“ und die Vinyl-Pressung von „Piece Of Mind“ für mich signieren könnte. Das war natürlich kein Problem. Ich hatte regelrechtes Herzklopfen als er neben mir stand. Anschließend fragte ich ihn, ob er vielleicht weiß, wo ich noch ein halbwegs leistbares Exemplar der „Soundhouse Tapes“ herbekomme. „Ich hab vielleicht noch einige in England herumliegen. Hier habe ich keines“, antwortete der Maiden-Boss. Ob er keine Quellen hat? „Weißt du was? Schreib mir einfach deinen Name und deine Adresse auf. Da lässt sich dann sicher was machen.“, versprach Mr. Harris.
Im Laufe des Abends stieß auch mein Bekannter Kevin, gefolgt von seiner Freundin Babsi und einem Freund aus Bayern, zu Tom und mir. Das Quintett war vollständig. Kevin ist ein überzeugter Maiden-Fan, wie er im Buche steht: auf der diesjährigen Book Of Souls Welttournee besuchte er acht Konzerte in fast ganz Europa. Darunter in Spanien, Österreich und Rumänien. Gemeinsam gingen Tom, Kevin und ich noch etwas auf ein Bier und eine überteuerte „Apfelschorle“ um 5 Euro in das gegenüberliegende Lokal mit dem Namen „Die Nachtkantine“. Ein großes Lokal mit Tanzfläche und einem eigenen Pizzaofen.
Schade, dass die gesamten Gebäude in dieser Gegend künftig Wohnungen weichen sollen.
Um 19 Uhr war es dann soweit: die Mitarbeiter des Technikums öffneten die Pforten des Clubs. Die ungefähr 15 Leute strömten hinein und sicherten sich ihre Plätze in der ersten Reihe. Der Platz rechts vor der Bühne sollte sich im weiteren Verlauf der Reise zu meinem „Stammplatz“ entwickeln. Pünktlich um acht starteten die Briten von Voodoo Six ihre Show. Mit ihrem herzhaften Hard Rock brachten sie die mittlerweile rund 60 Besucher zum Nicken. „Are you ready for British Lion?“ fragte der bärtige Sänger mit den netten Locken am Kopf vor dem letzten Song ihres Sets. Das verhaltene Publikum versuchte aus sich herauszukommen. Ein zurückhaltendes „Yeah“ hallte durch das mittlerweile mit etwa 150 Gästen gut besuchte Technikum. Bei einer kurzen Rauchpause in der Umbauphase lernte ich dann Mick und Michael von der Metal Crew kennen. Wie sich herausstellte, suchten sie damals noch einen „Schreiberling“. Tja, und hier ist mein erster Beitrag.
Mit britischer Pünktlichkeit betraten nach einem kurzen Intro die Mannen von British Lion die Bühne und eröffneten ihre. Das Grinsen auf meinen Lippen war kaum zu übersehen. Die Meute hatte eine gute Zeit. Meine Angst, die Band würde „nur“ das Debutalbum von 2012 spielen, blieb im Laufe der Show völlig unbegründet. Neben „Bible Black“ und „Spitfire“ spielte British Lion auch einige Neukompositionen. Daneben einen Song mit dem einschlägigen Refrain „Each thousand miles start with a single footstep.“ Leider ist mir bis heute der Titel des Songs unbekannt. Wie sich aber herausstellte, wollen die Jungs sowieso bald ein neues Album und einen Livemittschnitt der Tour veröffentlichen. Da wird‘ ich dann erfahren, wie der perfekt durchkomponierte Titel heißt.
Nach der Show strömten einige Metalheads nach draußen an die frische aber kalte und nasse Luft. Unter dem Vordach des Technikums wurde es eng und die Luft bestand aus mehr Nikotin als Sauerstoff. Noch einmal gingen Tom und ich zum Backstage Eingang um vielleicht noch mit den anderen Musikern zu Quatschen. Da stießen wir auf einen Vater und seinen etwa 18-jährigen Sohn. Wir kamen ins Gespräch. Plötzlich sah der etwa 55-Jährige durch ein Fenster, dass sich die Leute im Gebäude versammelten. „Ich glaub‘ Steve und die Jungs geben dann Autogramme und lassen sich fotografieren.“ Diese Prozedere war mir natürlich nicht ganz unbekannt, da ich British Lion erstmals 2013 in Wien gesehen habe.
Auch wir gingen hinein und stellten uns an. Rund eine halbe Stunde später überreichte ich Steve einen Bierdeckel mit Namen und Adresse undließ mich vom Sicherheitsmann mit der Band fotografieren. In der Zwischenzeit katapultierte er einen stark alkoholisierten, älteren Mann aus dem Technikum. Er hatte ihn wegen Steves Schweißbänder angepöbelt. Anschließend verabschiedete ich mich von Tom, Kevin, seiner Freundin, dem Bayern und den beiden Jungs von der Metal Crew und schleppte ich mich doch etwas erschöpft von der Fahrerei, Warterei und dem Mitwippen, Headbangen und Mitsingen beim Konzert zum Auto und fuhr in meine vier Wände für eine Nacht. Kevin sollte ich am Freitag in Graz wiedersehen. Aber alles der Reihe nach. Ich las noch ein paar Seiten in Don Winslows China Girl und schlief schnell ein.
Der Donnerstag begann um 9 Uhr morgens. Ich war ausgeschlafen und freute mich schon auf die Reise nach Wien. 450 Kilometer standen bevor. Laut Navi sollte die Distanz in etwa fünf Stunden zu bewältigen sein. Tatsächlich brauchte ich fast sieben Stunden.
Nach ein paar Zigaretten und einer Tasse Kaffee startete ich gegen 11 Uhr mein Auto, machte Halt bei einem Nahversorger, deckte mich mit Mineralwasser ein und fuhr gen der Hauptstadt Österreichs. Nach ein oder zwei Pausen machte ich noch Halt in Linz, der oberösterreichischen Landeshauptstadt, um bei einem Geschäft des Vertrauens noch einige bestellte Iron Maiden Platten abzuholen. In der Zwischenzeit kippte auf der A1 bei Asten/Sankt Florian ein Lastkraftwagen um. Dabei verlor er seine gesamte Beladung. Zwei Fahrspuren wurden blockiert, der Pannenstreifen blieb frei. Die Polizei sicherte die Unfallstelle ab und die Feuerwehr rückte mit einigen Einsatzfahrzeugen und einem Kran aus. Rund eine Stunde stand ich im Stau. Welch‘ Freude. Bis zur Wiener Außenringautobahn konnte ich meine Fahrt ohne größere Verzögerungen fortsetzen. Dann kam das übliche Chaos: Berufsverkehr, ein Unfall, Stau. Um 18.15 Uhr konnte ich mein Auto endlich in einer Park and Ride Anlage im dritten Wiener Gemeindebezirk parken. Ich kaufte mir ein Ticket für die U-Bahn, schob mich an zwei jungen Damen vorbei und trottete erschöpft von der Fahrerei zum Gleis.
Plötzlich schnelle Schritte. „Bitte entschuldigen Sie. Siehaben Ihre Bankomatkarte im Automaten stecken gelassen.“, sagteeine der beiden jungen Frauen in schlechtem aber verständlichem Deutsch. Ich denke, sie kam aus dem Osten Europas. „Aufpassen!“, sagte sie noch und überreichte mir die Plastikkarte. Anschließend ging sie zurück, die Treppen hinauf und zum Automaten. „Gott sei Dank war sie so aufmerksam. Das hätte mir nach dieser Fahrt noch gefehlt“, sagte ich zu einem jungen und gut gekleideten Mann mit südländischem Einschlag. „Da hast echt Glück ghabt“, sagte er im Wiener Dialekt.
Nach einigen wenigen Stationen verließ ich mit meinem Koffer, darauf eine grüne Stofftasche bestückt mit einem Tablet, ein paar Kugelschreibern, einem schwarzen Faserstift, Iron Maiden Platten sowie den British Lion und dem Book Of Souls Album, die U-Bahn und trottete zum Kebap-Haus meines Vertrauens im dritten Bezirk. Nach zwei, drei Zigaretten, einem Kebapteller und einem großen Apfelsaft mit Soda (aka Apfelschorle) schlenderte ich zur Wohnung und machte es mir auf der Couch bequem. Ich schaute fern und las anschließend noch ein paar Seiten in Don Winslows China Girl. Der Tag war gelaufen.IMG_4053.JPG